Duck Flight - Indische Touristen am Gleitschirmstartplatz in Panchgani

Gleitschirmfliegen in Indien - Panchgani

Panchgani, die Saison ist vorbei

Keiner mehr hier, Ende März und die Saison in Panchgani ist vorbei. Der Wind ist wirklich stark um die Mittagszeit, an einen Start ist nicht zu denken, zumal der Wind auch noch eine Nordkomponente besitzt.

Irgendwie schon blöd, da kommst Du ins Fliegermekka Panchgani, um einen Schirm abzuholen, und dann bist Du schon mal hier und kannst nicht einmal fliegen. Alle Piloten, die sonst für beste Stimmung sorgen, haben sich in den Himalaya abgesetzt oder sind in der Heimat Europa, wo bald die Saison starten wird.

Sieht gar nicht so schlecht aus

Trotzdem fahre ich am Weststartplatz vorbei und sehe den hohen Bäumen zu, der Wind kommt sogar rücklinks über den Berg, schon eher aus Nordosten, wo es doch eigentlich zu dieser Jahreszeit den ganzen Tag aus Westen blasen soll. Unten am Startplatz kommen leichte Ablösungen den Berg hinauf, fühlt sich ja eigentlich gar nicht so schlecht an.

Moritz Schirm haben wir inzwischen bekommen, ein gutes Stück, um das erste Jahr oder etwas länger zu taugen. Da wird sich ein Einheimischer freuen, einen günstigen Schirm zu bekommen. Einige der Jungs aus den Dörfern um Shelar haben echt Talent, schade nur, dass es an vernünftigem Material mangelt.

Wir beschließen die Nacht im Eco-Camp zu bleiben und sitzen abends noch eine Weile mit Andre, seiner Frau und den Kindern. In der Abendluft schmeckt der Kaffee besonders gut.

Heute morgen habe ich beschlossen, nach Mittag fliegen zu gehen, mein Schirm ist schließlich mitgekommen, und wenn es nicht fliegbar ist, will ich es wenigstens versucht haben.
Morgens gehe ich runter zu den Zelten, der Windsack steht schnurgarade auf bestem Startwind, ein Blick hinüber zum Startplatz, aber leider gibt es dort jetzt keine Windsäcke mehr, die Saison ist vorbei.

Einmal geht noch

Ok, einen Versuch ist es Wert, wenigstens ein wenig an der Kante gesoart haben, bevor es nach Hause geht. Als ich mit dem Rucksack aus dem Zimmer komme, steht Roberto draußen und hat meine Absicht wohl erkannt. Er holt seinen Schirm, mehr aus Solidarität, als dass er wirklich Lust hat, bei diesen Bedingungen zu fliegen, schließlich ist er fast die ganze Saison hier und ist kaum auf so ein paar turbulente Flugminuten angewiesen. Wir fahren mit dem Jeep hinüber zum Startplatz.

Too strong

Am Startplatz angekommen, sehen wir gerade noch ein Tandem im Packsack verschwinden, sie sind gestartet, und gleich wieder gelandet. Too strong, too bumpy. Hm, aber sie waren in der Luft und sind heile wieder unten angekommen.

Mir egal, mache ich halt Bodenhandling, auf jeden Fall gehe ich nicht wieder zurück, bevor ich nicht den Schirm gelüftet habe.
Der Wind fegt über den Startplatz und haut den Schirm von rechts nach links, aber ich hab ja Zeit, es ist erst 13 Uhr.

Gerade bin ich beinahe an der Südost-Seite des Kessels abgesoffen und jetzt kommt dieser Lift, der mich vom Tief-Im-Kessel-Kratzen auf Wow-Über-Dem-Plateau befördert. Jetzt heißt es toplanden und nicht klettern.

Meinen Overall hatte ich natürlich auch fürs Bodenturnen um mich geworfen, alles offen selbstredend.
Und was kann ich denn dafür, dass der garstige Wind plötzlich eine schöne Lücke ließ, in der es nach mehr als einer halben Stunde schwitzen, plötzlich auch am Startplatz den wunderbaren gleichen Wind hatte, wie es schon der Windsack am Eco-Camp seit Stunden anzeigte?!

Ich bin auf gleicher Höhe an der Terasse des Eco-Camp vorbei geflogen, und hab freudestrahlend hinüber gewunken, geteilte Freude ist doch die beste Freude.

In diesem Moment trägt mich der Aufzug auf über 1600 Meter und das ist die magische Grenze, das Geschaukel und Nachzentrieren hat ein Ende, es geht schnurstracks unter die Wolkenbasis in fast 3200 Metern Höhe.

Es wird kalt

Meine erste Aufgabe ist nun, meinen Overall richtig anzuziehen, bin ich froh, ihn doch mitgenommen zu haben. Die Beinzipper zugezogen, gut, und nun Handschuhe ausziehen, einzeln raus aus den Schultergurten, und das Oberteil des Kombis anziehen, das vorher nur um den Bauch geknotet war. Mittendrin haut es mir in die Kappe, und fast sind meine Handschuhe weg, die halbseiden in der Hand mit den Bremsen eingeklemmt sind. Aber gut, es hat geklappt, nun ist es angenehmer.

Wolkenspiel

Von unten steigt eine kleine Wolke auf, das will ich doch mal aus der Nähe betrachten. Ich fliege beinahe über ihr, sie steigt weiter auf und ich gleite an ihrer Flanke entlang, ist das ein Spaß. Unter mir sind kleine Fetzen, unglaublich.
Hier am Rand werde ich durch die Fetzen spiralen, ich kann ja noch hindurchsehen, das wird ein Spaß. In der letzten Umdrehung haut es mir ein Ohr weg und nun werde ich auch wieder vernünftig.

Eine Stunde in der Luft und mächtig Spaß gehabt, aber eigentlich bin ich doch darauf aus, ein wenig Strecke zu fliegen, also warum nicht versuchen, mal Richtung Tower Hill zu fliegen und die Strecke auszukundschaften. Rüber über den See und auf die Berge zu, doch schon weit vor den Bergen merke ich, dass es bei der Nordkomponente garnicht so einfach ist.
Nun gut, dann von Nordkurs auf Ostkurs geschwenkt, mit der Westkomponente sollte ich über Wai hinaus fliegen können und schau mer mal.

Gerade noch auf 3000 Metern gehe ich runter wie ein Stein, die 1500 Meter sind bei 700 Meter hohem Gelände auch nicht mehr viel, vielleicht sollte ich diesen Tag einfach beschließen und nahe an der Straße landen, die hinauf nach Panchgani führt. War doch wirklich ein schöner Flug.

Wenn Grashalme fliegen

Ich sinke weiter der Straße entgegen und in 1300 Metern Höhe sehe ich links einen Grashalm an mir vorbei steigen. Moment mal, wenn der dort steigt, gibbets nich. Los, vergiss die Straße.

Ich muss dazu sagen, hier in Panchgani fliegen keine Flugzeuge herum, ich bin zur Zeit der einzige Gleitschirm in der Luft und die Wolke hat höchstens eine vertikale Ausdehnung von 600 - 800 Metern.
Der Kompass, den ich vorher aus der Tasche geholt habe, dreht sich einfach nur im Kreis, ich sehe nur grau, seit ich höher als 3300 Meter bin, und der Schirm dreht sich in etwa wie der Kompass. Das GPS ist netter und dreht sich nur halb so schnell. Ich versuche gegenzusteuern und die Richtung zu halten, aber es ist nichts zu machen. Seltsamerweise bleibt die Kappe vollkommen stabil, wird nur von magischer Hand herumgedreht.
Irgendwann hört das Drehen auf, ich fliege nach Westen sagt das GPS. Aber eigentlich wollte ich nach Osten, aber besser erst mal weiter in diese Richtung, hier ist es ruhig. Es gibt Grau, Grauschleier, kälteres Grau, wärmeres Grau, heller grau, und dunkel grau, am besten gefällt mir das Grau mit dem Blaustich, darauf halte ich nun zu. Am Westende der Wolke werde ich ausgeworfen in meinen geliebten blauen Himmel und sogar ein paar Sonnenstrahlen versuchen, meine Hände wieder aufzuwärmen.

Große Ohren

Ich fliege um die Wolke herum auf die nächste zu, jetzt flieg ich auf meinen Waypoint zu, den ich am Abzweig des Pune-Goa-Highway gemacht hab, um Panchgani mit dem Auto wiederzufinden. Die Wolke vor mir sieht gut aus, und sie fängt auch gleich an, mich zu sich zu rufen, doch diesmal stehe ich mit großen Ohren in der Speedbar und surfe unter ihr entlang, so macht das Spaß.

Ich überlege noch kurz, ob ich weiter fliege, doch ich hab 15er Gegenwind und ein nettes Abendessen wäre auch nicht schlecht, hinter dem Highway sieht es eher nach einer Übernachtung eingewickelt im Schirm aus. Schlangen und Skorpione kenne ich schon aus Kamshet, aus sicherer Entfernung sind sie ja ganz nett, aber schlafend eingewickelt in einen Schirm, irgendwo in der Pampa? Genug Abenteuer für heute.
Der Rückweg gestaltet sich einfach, mit 50km/h Groundspeed, 3200 Metern Höhe sollte ich ohne weiteres Kreisen in Panchgani ankommen. So gleite ich 15 Minuten gen Panchgani ohne wirklich Höhe zu verlieren.

Der Wind macht, was er will

In 2000 Metern merke ich, dass mein Groundspeed immer weniger wird. Wenn ich in der Höhe noch schönen Rückenwind hatte, bekam ich jetzt Gegenwind aus West. Das Telefon im Ohr klingelt und mein Wetterengel erzählt mir von starkem Westwind. Dreihundert Meter über dem Oststartplatz hab ich locker 25er Gegenwind und stehe im Speedsystem. Eine Landung auf Harrison Foley schließe ich gleich aus, ich mag nicht auf diesem schmalen Grad mit seinen Verwirbelungen landen.

Landung an der Bergflanke

Bleibt nur die laminar angeströmte Bergflanke mit den schmalen Feldern oder das Tal. Ich entscheide mich für die Bergflanke, mehr gegen den Westwind vorhaltend, sinke ich in südlicher Richtung auf die Bergflanke zu. Auch das noch, da geht eine Stromleitung entlang der Straße, da muss ich auf jeden Fall noch drüber, noch könnte ich ins Tal fliegen. Aber die Höhe passt. Der Wind wird immer stärker, ich komme über das Feld und muss einen Tick ins Speedsystem, um nicht rückwärts zu fliegen, fühlt sich nach 40er Wind an. Drei Meter über dem Feld scheppert das rechte Ohr, aber der Druck im Gurt steht, und die Bremse ist wieder hart. Kurz vor dem Aufsetzen hebt es mich erneut ein wenig, doch ich reiße an den D-Leinen und drehe mich gleichzeitig herum.

Der Schirm liegt friedlich flatternd am Boden. Heute Abend schmeckt der Kaffee noch einmal so gut.