Flying Site Search Trip India
Oder Die Windmühlen von Patan
Die Idee wurde schon oft ausgesprochen, doch einfach das Packerl auf den Rücken schnallen und darauf losfahren, um wirklich nach neuen Fluggebieten zu suchen, dazu braucht es dann doch schon ein wenig Vorbereitung.
Gut, dass es Google Earth gibt. Wir hatten nur ein paar Tage Zeit über Weihnachten, also wollten wir nicht allzu weit in die Ferne schweifen. Südlich von den bekannten Fluggebieten Kamshet und Panchgani befindet sich der Stausee "Lake Andhra", er ist umsäumt von einer Bergkette, die auf der Nord-Süd-Achse verläuft. Bei einem Höhenunterschied von durchschnittlich über 500 Metern und einer Länge von 50 Kilometern muss doch etwas gehen.
Leider ist die Auflösung für Indien in Google Earth noch nicht in allen Gebieten sehr gut, potentielle Startplätze lassen sich aber auch hier finden. Nur ob der Untergrund dann auch startbar ist, das müssen wir schon selbst herausfinden.
Die Frage nach dem Fortbewegungsmittel ist schnell beantwortet. Der Jeep
kommt zwar fast überall hin, ist aber doch etwas klobig. Das
Motorrad ist in Indien das beste
Gefährt, um auch an die entlegendsten Orte zu gelangen. Zwei
Europäer in einem Jeep erregen zu viel Aufmerksamkeit, mit Helm und
Motorradklamotten kommt man einfach zügiger durch.
Deshalb noch
schnell den Gemüsekorbhalter auf dem Gepäckträger der Royal
Enfield in einen Gleitschirmhalter umgebaut und schon geht es mit Zelt und
Packsack auf die Reise. Moritz, mein indienerfahrener Begleiter und schweizer
Fluglehrer, schnallt sich den Schirm gewohnt auf den Rücken.
Der erste Tag, ein Tag vor Heiligabend, ist Reisetag, vom ersten Chai-Shop aus, können wir schon die langen Bergrücken mit Ihren Windrädern sehen. Mit Windrädern haben wir in Indien garnicht gerechnet. Aber der Keim einer Idee kommt auf.
Bevor wir die Windräder aus der Nähe sehen dürfen, wird
noch ein Tag vergehen.
Unser Navigationssystem für die Straße besteht aus einer
ICAO-Karte oder soetwas ähnlichem; diese haben wir letztes Jahr von
Eco-Andre bekommen.
Das Garmin GPS, das Geko 201 ist nur fürs Loggen der Flüge und
Teile der gefahrenen Strecke. (Ein Upgrade-Gerät mit Kartennavigation
muss her. Wichtig ist aber mehr die unbegrenzte
Speichermöglichkeit von Trackpunkten und die längere
Batterielaufzeit.)
Am ersten Tag fahren wir über den Pune-Goa-Highway bis nach Karad. Satara verpassen wir irgendwie auf dem Weg. In Karad angekommen, nehmen wir unser erstes Abendessen ein. Leider sind wir ziemlich spät, deshalb gibt es nur noch Wada Pav (sprich: Wada-Pau). Aber nicht schlimm, wir haben uns mit genug Keksen ala Tiger und Parle G eingedeckt. In der Not verspeist der Teufel bekanntlich Fliegen.
Von Karad biegen wir jetzt Richtung Westen ab, um die Auffahrt zur Bergkette von Süden her zu finden. Leider ist die Straße auf unserer Karte nicht eingezeichnet, deshalb fragen wir uns einfach durch. Nach etlichen Versuchen, die diverse Antworten hervorbringen, kristallisiert sich heraus, dass wir scheinbar in Patan die Abzweigung finden werden.
Den Fehler, am Abend in Patan noch schnell in den Wine Shop zu gehen und ein Gute-Nacht-Bier zu kaufen, werden wir sicher nicht wieder begehen, jedenfalls nicht in Kombination mit der Frage, wohin wir denn nun fahren müssen. Während Moritz shoppen ist, hat sich um mein Motorrad schon eine Traube Menschen gebildet, die alle entweder helfen wollen, mich in ein Hotel locken wollen oder einfach nur schauen möchten.
Ein gepflegt aussehender Herr im Anzug gedeiht mir im Lehrerton an, dass die Straße auf den Berg nachts viel zu gefährlich sei, und wir auf jeden Fall in Patan in einem Hotel bleiben müssen. Zufällig hat er auch gleich ein Hotel parat, in dem wir übernachten können.
Ich verabschiede mich mit einem netten Lächeln und mehreren "thank you". Was glaubt der denn, wie lange wir erst in Indien sind?
Zwei junge Burschen auf dem Motorrad haben die ganze Sache mitbekommen und bieten uns an, ein Stück vor uns her zu fahren. Mit der Zeit bekommt man so ein 98%-Gefühl dafür, wem man hinterher fahren kann und wem nicht, diesmal klappt es.
Die Jungs müssen nach ca. 3 Kilometern abbiegen und wir verabschieden uns mit hindi-englischem Kauderwelsch. Nach einiger Zeit führt die Straße wirklich auf den Berg hinauf.
Es wird langsam spät, wir fahren inzwischen über das Plateau zum ersten auserkorenen übernachtungsort. Als wir durch das Dorf hindurchfahren, ist schon alles dunkel und kein Mensch mehr auf der Straße. Wir beschließen, ein wenig aus dem Dorf hinaus zu fahren und unser Nachtlager aufzuschlagen. Wir enden dann auch in einer Sackgasse, die einige Terrassen bereit hält, die gut für unser Zelt erscheinen.
Geräusche aus Richtung Dorf entpuppen sich schnell als eine Gruppe mehrerer Dorfbewohner, die uns freundlich begrüßen. Englisch ist jetzt nicht mehr der Kommunikation bester Helfer. Was wir verstehen können, ist jedoch eindeutig. Wir sind ein starkes Dorf und wir möchten nicht, dass Fremde hier übernachten.
Wir fragen nach dem Namen des Dorfes und müssen feststellen, dass wir nicht dort angekommen sind, wo wir eigentlich hin wollten. In bruchstückhaftem Hindi erklären wir, dass wir eigentlich ein anderes Dorf suchen, aber es jetzt schon so spät ist, dass wir das sicher nicht mehr finden werden.
Der Sprecher der Männer, der zumindest ein paar englische Wörter versteht, bleibt jedoch hart. Dorfregeln sind eben Dorfregeln. Wir verstehen und machen uns daran, unsere Motorräder wieder startklar zu machen, wir werden schon einen Platz finden.
Als ich meinen Helm aufsetzen möchte, kommt der Dorfsprecher und verkündet die freudige Nachricht, dass das Dorf beraten hätte, und dass es doch möglich ist, die Nacht zu bleiben, aber nur diese eine Nacht und dann müssen wir weiter. Was ein nettes Gespräch in versuchtem Hindi doch so alles ändern kann. Scheinbar waren wir jetzt doch nicht mehr so fremd.
Tag 2, HeiligabendAusschlafen ist heute leider nicht an der Tagesordnung, schon kurz nach Sonnenaufgang hören wir die Kinder um das Zelt herumlaufen, wir regen uns nicht und hoffen noch ein wenig ausruhen zu können. Als dann eine halbe Stunde später die halbe Dorffraktion vor dem Zelt steht, bleibt uns nichts anderes als schnell anziehen und der eiligen Einladung des Dorfsprechers folgen. Er muss zur Arbeit hinunter in die Stadt, aber ohne uns einen Guten-Morgen-Tee angeboten zu haben, möchte er uns nicht verlassen.
Zurück am Zelt realisieren wir, dass wir an der Kuhtränke des Dorfes geschlafen haben. Die Kühe kommen nun alle nach und nach und laben sich am kühlen Nass, das durch den eigens dafür angelegten Kanal einer Quelle fließt, die irgendwo etwas höher in den Hügeln entspringen muss.
So langsam wird es Zeit, der frühe Vogel fängt den Wurm, noch haben wir keinen Schimmer, wo wir einen guten Startplatz finden, deshalb geht es nun den Windmühlen entgegen.
Der Wind weht aus Ost, deshalb fahren wir an der östlichen Kante des Plateaus entlang. Leider fällt das Terrain an der Kante steil ab, und vorgelagert ist eine größere ebene Fläche, bevor es ganz ins Tal hinunter geht. Was fehlt, ist ein Weg vom vorgelagerten Plateau nach oben, deshalb fahren wir Kilometer um Kilometer ohne den ersten Start zu wagen.
Die Hitze ist schon heftig, so sind wir froh, dass wir den Besten Chai Shop Indiens gefunden haben. Mit Moritz bin ich mir einig, dass wir solch ungewöhnlich guten Tee noch nirgends in Indien getrunken haben. (Wer ihn probieren möchte, Koordinaten folgen.)
Nach mehreren Kilometern und dem Uhrzeiger schon weit nach Mittag, werde ich ungeduldig, als wir eine Stelle gefunden haben, die zumindest einen einfachen Aufstieg verspricht. Leider ist die Kante nur ein paar Meter hoch. Den Schirm ausgepackt, und an der Kante aufgezogen, fliege ich erst einmal nicht vorwärts, beim zweiten Versuch ist der Wind gerade schwach genug, um über die Kante zu fliegen.
Viel muss ich nicht sagen, Moritz wusste schon, warum er sich an die Kante
gesetzt hat, und mir nun gerade zuschaut, wie ich nach links herausstarte,
einen Meter Höhe mache, die Wende einleite und mit Schwung abwärts
zur Landung sinke. Ein
Hechtsprung über den Stein, der ziemlich allein auf der Wiese liegt,
vollendet die Landung dann etwas unelegant.
Ein wenig Groundhandling, auf Wind warten, der plötzlich nicht
mehr da ist, und dann wieder herausstarten, wenn es besser geht, ja,
schöner Gedanke. Nach zehn Minuten verwerfe ich diesen und packe den
Schirm zusammen.
Die erste Kletterpartie mit Rucksack steht an, Gott sei Dank haben die Felsen
gute Griffkanten, so dass ich nur schweißgebadet, aber ohne Kratzer
wieder oben ankomme.
Nichts desto trotz, beginnt der Ausflug langsam seiner Bestimmung gerecht zu werden, jedenfalls haben wir schon einmal einen Startplatz ausgeschlossen.
Aus der Ferne entdecken wir eine Kante, die für einen Start günstiger erscheint, zwischendurch eine kleine Pause, um die Schirme noch einmal richtig auf dem Gepäckträger zu befestigen. Die Kante sieht man im Hintergrund.
Heute ist es zu spät für einen weiteren Versuch, deshalb fahren wir zurück zu bekannten Ufern. In Patan sind wir sicher, einen leckeren Schmaus zu bekommen, und auf die Frage nach einem Non Veg-Restaurant müssen wir erst einmal ein wenig aus der Stadt herausfahren, aber als dann das Essen vor uns steht ist sicher, wir haben unser Stammrestaurant für die nächsten Tage gefunden.
Die Nacht verbringen wir oben auf dem Plateau, weitab vom Trubel der Stadt Patan, wir passieren ein kleines Dörfchen und fahren noch ein paar Meter, bis wir eine Einfahrt finden, die auf die Felder entlang der Straße führt. Hinter einem dichten Busch bauen wir unser Zelt auf, ein wenig geschützt vor neugierigen Augen, die am Morgen des Weges kommen.